Darf’s ein bisschen mehr „Wollen“ sein?


„Ich will das.“ Wenn der Ausdruck dich gerade beim Lesen triggert, lohnt es sich weiterzulesen.
Lass‘ uns dafür kurz mit einem anderen Wort starten:
Die Idee, Aussagen mit „ich muss …“ durch Alternativen zu ersetzen, löst immer mal wieder Genervtheit aus. (Falls du gerade auch die Augen rollst – bleib bei mir, ich kriege die Kurve und du einen Impuls, der wieder zum „ich will …“ führt – versprochen)
Worte haben mächtigen Einfluss – sowohl auf unsere generelle Einstellung als auch auf unser körperliches Empfinden. Die Studien dazu sind faszinierend.
Deshalb stelle ich meinen „Müssen- Wortschatz“ schon seit einer ganzen Weile um. Wie das meine Perspektive verändert – auf mich im Zusammenhang mit der Welt, ist bemerkenswert.
Trotzdem war ich bis letzte Woche der Meinung, dass es auch Zusammenhänge gibt, in denen „Müssen“ der passende Ausdruck bleibt.
Alle „ich möchte“, „ich kann“, „ich werde“ – Varianten, fand‘ ich zu „wischiwaschi“, wenn es z.B eine nahende Deadline geht.
Letzte Woche stand die Unterlage zu einem Training auf der Liste, die für den Folgetag fertigzustellen war (du merkst, ich drücke mich noch um die Wortwahl – ich komme gleich drauf).
Dabei war „muss“ für mich erst mal als genau die passende Aussage: Das hier ist kein Ponyhof, das hat Druck auf dem Kessel. Und der existiert eben – Zeitdruck, Erwartungsdruck etc.
Es läuft auch mal tough, und das darf zum Ausdruck kommen. Ohne Drama, mit Klarheit. Neben allem können, dürfen, mögen etc:

Wichtiger Unterschied zu: „Ich möchte auch mal „müssen“ müssen,“ dabei:
Ich entscheide, dass ich einfach auch mal was „muss“. In dem Satz steckte für mich eine Wahl, die ich aus eigenem Willen treffe. Und mit dem Willen wurde es für mich spannend.
Beim Ersetzen von „müssen“ geht es vor allem darum, mir klarzumachen, dass es so gut wie nichts gibt, bei dem ich nicht eine Wahl treffen kann.
Es sind wenige Dinge, die wir ohne jeglichen Einfluss so an-/hinnehmen „müssen“, so wie sie im Leben auf uns zukommt.
Es drückt für mich aus, dass ich mich frei für etwas entscheide, was nicht nur angenehm ist:
Weil ich „ja“ zu dem Training sage, sage ich auch „ja“ zu der Spannung die Unterlagen mit Zeitdruck fertigzukriegen. Da steckt Power und Verantwortungsübernahme drin. Und wenn ich das schon mache, egal wie stressig es sich anfühlt – wieso gönne ich mir dann nicht ein kühnes:

Wann und wie hast du „Ich will das,“ zuletzt als Satz, positiv für dich genutzt?
Klar, wenn wir mit anderen Menschen zusammenarbeiten, macht es wenig Sinn, sich auf den bockigen oder (über)fordernden „Ich will das“-Standpunkt zu stellen. Aber wie oft erlaubst du dir diesen Satz z.B. wenn du etwas für dich Wichtiges erreichen willst?
Ich kann sagen – den Gedankenumweg über das „Ich möchte auch mal müssen dürfen“ (was für ein schrecklicher Satz bitte schön?!?) brauchte ich, weil mir „Ich will …“ nicht direkt als legitime Alternative in den Kopf kam.
Was mir daran klar wurde:
Willensstärke ist gerne gesehen, um im Job Dinge vorwärtszubringen. Aber wie steht es damit etwas für sich selbst „zu wollen“?
„Kinder die was wollen, kriegen was auf die Bollen“ ist ziemlich old school, dir aber als Spruch aus der Kindererziehung wahrscheinlich noch bekannt.
Meine Erfahrung ist, dass vielen von uns das „Ich will“ in der Kindheit komplett abtrainiert wird.
Fair enough, wenn es Themen betrifft, in denen es auch um andere Menschen geht. Frühzeitig ein gesundes Maß an Respekt füreinander zu lernen, leuchtet ein. Allerdings sind dabei die Nuancen verschwunden.
Das Lexikon sagt dazu: „Wollen drückt einen sehr starken Wunsch aus.“
Was ist falsch daran, sich mit dem Selbstbewusstsein zu stärken etwas zu wollen, wenn es dabei um uns selbst geht? Wie klappt es, Willensstärke zu haben, ohne „wollensstark“ zu sein?
O-Ton im Benimm-Ratgeber: „Sie sollten das Modalverb „wollen“ nur dann benutzen, wenn Sie ein Verlangen tatsächlich mit aller Kraft durchsetzen möchten.“
Das lässt darauf schließen, dass „wollen“ eine Menge Power hat.
Wie oft benutzt du den Ausdruck „ich will …“ bestärkend für dich, wenn es um deine Wünsche geht?
Und damit meine ich nicht die Weihnachtsmann-Wunschliste, sondern viele Wünsche im Alltagsleben:
- die Wohnung wieder sauber haben
- die Steuererklärung ist fertig
- dem Kollegen habe ich mitgeteilt, was mir als Feedback lange unter den Nägeln brennt
such` dir was aus.
Warum nicht mal das „Ich will“ ausprobieren, wenn es in dem Zusammenhang nicht „gegen andere“, sondern mit voller Kraft für unseren Wunsch „wirkt“? Für mich wurde es dann letzte Woche der Satz:

Der fühlte sich etwas ungewohnt, aber auch direkt beim ersten Aussprechen kraftvoll an. Und bei jeder Wiederholung hat er mir mehr diebisch gute Laune gemacht -trotz oder vielleicht gerade wegen des Termindrucks auf der anderen Seite.
Wie lautet dein „Ich will“, um das du im Moment noch den „Benimm` dich“-Bogen machst?
Liebe Grüße, Jana